Doch, doch, man kann auch schöne Fußballstunden an der Hafenstraße erleben – man muss nur als Gegner kommen. Meint auch Gino Windmüller, der erstmals die Gästekabine im Stadion Essen aufsuchen musste und diese nach Spielende froh gelaunt verließ. Ach was, er strahlte übers ganze Gesicht. Dabei vermied der ehemalige Abwehrspieler der Rot-Weissen jegliche Häme, war er von Revanchegelüsten sowieso weit entfernt: „Ich weiß, dass es mein Ex-Verein ist, und ich habe hier immer sehr gern gespielt, aber ein besonderes Kribbeln hat sich die ganze Woche davor nicht eingestellt. Es war nur ein besonderer Moment, als ich auf den Platz gegangen bin. Jetzt ist es sehr sehr schön für mich, weil ich ein Derby gewonnen habe“, meinte der Wuppertaler.
Ich hoffe für Essen, dass sie es hinkriegen, eine gute Saison zu spielen
Gino Windmüller (Wuppertaler SV)
Windmüller hatte bei seinen Ex-Kollegen für eine Überraschung gesorgt, tauchte er doch als „Sechser“ im Spiel der Gäste auf – und er machte seine Sache glänzend. Der 28-Jährige war lange genug auf der anderen Seite, um zu wissen, welche Diskussionen diese schmerzhafte Niederlage bei Rot-Weiss wieder in Gang setzt: „Ich hoffe für Essen, dass sie es hinkriegen, eine gute Saison zu spielen, aber für mich persönlich heißt es jetzt Wuppertal, und da wollen wir den Schwung mitnehmen“, meinte der sympathische Spieler.
Rückfall in alte Verhaltensmuster
Von Schwung waren die Gastgeber auch am Tag danach noch weit entfernt. Wieder einmal ging es vor dem Training in die genaue Analyse. Wieso, fragte man sich, kann ein Spiel mit einer Führung im Rücken derart zum Erliegen kommen? Wieso fällt die Mannschaft zurück in alte Verhaltensmuster, die man längst überwunden zu haben glaubte? Da fällt es auch am Tag danach den Verantwortlichen schwer, zur Tagesordnung überzugehen und Vorfreude auf das anstehende Pokalspiel am kommenden Freitag gegen Bundesligist Borussia Mönchengladbach (20.45 Uhr) zu entwickeln. „Ich kann heute noch überhaupt nicht an Gladbach denken, aber morgen müssen wir mit der Vorbereitung beginnen“, meinte ein ebenso ratloser Sportdirektor Jürgen Lucas. Die Mannschaft sei sehr selbstkritisch bei der Analyse mit sich umgegangen, berichtete Lucas, und damit auch leider nichts Neues.
Der wirkte ob des angeschauten Bildmaterials noch ziemlich erschrocken: „Bei uns haben völlig die Basics gefehlt, es gab gravierende Fehler im Stellungsspiel, im Passspiel, die Automatismen haben nicht mehr funktioniert, die ganze Körpersprache hat nicht gestimmt.“ Dass die Wuppertaler aggressiv gegen die Gastgeber anlaufen würden, konnte niemanden wirklich überraschen, dass hatte das Trainerteam unter der Woche genauestens „gepredigt“. Nur die Mittel, die von RWE-Seite dagegen gestellt wurden, waren die falschen. „Wir haben uns das noch einmal angeschaut, von den neun Fouls, die wir begangen haben, waren sieben komplett unnötig, wir waren gedanklich zu langsam“, analysierte der Sportdirektor.
Von einer grandiosen Teamleistung in Dortmund in nur einer Woche zu einem Auftritt, in dem selbst die Grundanforderungen nicht erfüllt werden, das macht alle ratlos. „Wir müssen schnellstens in dieser Hinsicht eine vernünftige Balance finden“, fordert Lucas. Dass dabei wieder einmal die große Kulisse als Hemmschuh gedient haben könnte, lässt der Sportdirektor als Argument nicht zu: „Die Leute haben uns doch nichts getan, ganz im Gegenteil. Da sind wir wieder beim Thema, wenn neue Spieler zu uns kommen und von Herausforderung reden, und wie toll hier alles ist.“ Stimmt, den Worten müssen endlich endlich Taten folgen.